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Boettcher, Hannah, Florin Keuneke, Sophia Leipert, Max Münßinger, Till Straube und Thilo Wiertz. 2024. Was ist grid?. In: grid. 1–6. DOI: 10.6094/grid.2024.001. Online verfügbar unter: https://gridisnotajournal.de/articles/editors-2024-was-ist-grid.

Boettcher, Hannah, Florin Keuneke, Sophia Leipert, Max Münßinger, Till Straube und Thilo Wiertz. 2024. Was ist <i>grid</i>?. In: grid. 1–6. DOI: 10.6094/grid.2024.001. Online verfügbar unter: https://gridisnotajournal.de/articles/editors-2024-was-ist-grid.


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Was ist grid?

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  1. Institut für Geographie, FAU Erlangen-Nürnberg
  2. Humboldt-Universität zu Berlin
  3. HafenCity Universität Hamburg
  4. Institut für Humangeographie, Goethe-Universität Frankfurt
  5. Institut für Umweltsozialwissenschaften und Geographie , Universität Freiburg

1. Oktober 2024

DOI 10.6094/grid.2024.001 · Zitieren ·

    Gebäude, das einem 3D-Modell ähnelt und dessen Eingang aus einer Verzerrung des Modells entsteht. Gebäude, das einem 3D-Modell ähnelt und dessen Eingang aus einer Verzerrung des Modells entsteht.
    Foto: Berk Ozdemir

    grid ist ein neues Magazin, das sich mit dem Verhältnis von Gesellschaft, Raum und digitaler Technik auseinandersetzt. Wir eröffnen Einblicke in aktuelle Forschung und wissenschaftliche Praxis. Für Forschende, Studierende und andere Menschen, die sich für die räumlichen Dimensionen des digitalen Wandels interessieren.

    1705 Wörter · ⌛ 9 Min.

      1705 Wörter · ⌛ 9 Min.

      Mit grid entsteht ein neues Magazin, das sich mit dem Verhältnis von Gesellschaft, Raum und digitaler Technik auseinandersetzt. Die Namensgebung für das Projekt war nicht einfach. Ein Akronym? Gesellschaft und Raum im Digitalen, im digitalen Zeitalter”? GRIDZ? Und suggeriert grid nicht starre Strukturen und Hierarchien? Was ist ein grid? Wörtlich ein Raster, ein Netz, ein Gitter. Ein Rahmen, der Dinge in Verhältnis zueinander setzt. Mit Koordinaten, Feldern, Linien und Fluchtpunkten. Man kann Punkten und Kanten folgen. Aber auch: Zwischenräume füllen und Neues anschließen. Anhaltspunkte verrücken, die Struktur verzerren. Neue Perspektiven entstehen lassen.

      Das Thema von grid sind neue Strukturen, die in digitalen Gesellschaften entstehen, aber auch Lücken und Veränderungen. Als Infrastruktur bietet grid Orientierung, bleibt aber offen für perspektivische Verschiebungen. So wollen wir Einblicke in aktuelle Forschung und wissenschaftliche Praxis geben – für Forschende, Studierende und andere Menschen, die sich für die räumlichen Dimensionen des digitalen Wandels interessieren.

      grid eröffnet Perspektiven

      Ein grid ist ein Werkzeug zur Anordnung und Betrachtung von Dingen im Raum. Es ist eine „Ansichts-Sache“. Koordinaten und Positionen im grid sind jedoch nur scheinbar Fixpunkte: Je nach Referenzrahmen, gesetzten Fluchtpunkten und gewählter Projektion ordnen sich Verhältnisse und Bezüge neu, ändern sich Konturen, Sichtbarkeiten und Maßstäbe.

      grid bietet einen Rahmen für unterschiedliche wissenschaftliche Perspektiven auf die Problemstellungen, die im Schnittfeld von digitaler Technik, Gesellschaft und Raum entstehen, und die sich unterschiedlich vermessen und adressieren lassen:

      Das Digitale ist nicht neu. Aber es schreibt sich auf immer neue Weisen in unseren Alltag und gesellschaftliche Beziehungen ein. Dabei bilden sich Muster und Anordnungen, die Potenzial für neue Ideen und Verbindungen beinhalten, aber auch für Einflussnahme und Kontrolle sowie neue Kipppunkte und Verwundbarkeiten. Digitalisierung, digitale Transformation oder Digitale Geographien sind in diesem Sinne keine abgrenzbaren Problemfelder. Vielmehr gilt, dass (fast) jede Analyse gesellschaftlicher Prozesse und Verhältnisse heute auch eine Auseinandersetzung mit digitaler Technik und Technologie einfordert.

      grid zeichnet Ordnung und Bewegung nach

      Ein grid ist ein Bezugsrahmen, der es ermöglicht, Anordnungen, aber auch Bewegungen zu registrieren und nachzuzeichnen. Der Bezugsrahmen für Beiträge auf grid ist das Digitale als Dimension des Gesellschaftlichen. Häufig betonen Kommentare zum Digitalen neue technologische Möglichkeiten und die Geschwindigkeit des Wandels. Die Beispiele oben zeigen, dass dieser Wandel alle Bereiche der Gesellschaft durchzieht. Gleichzeitig richtet grid den Blick auch auf die Herausbildung oder Reproduktion fester Strukturen und Disparitäten.

      Gesellschaftliche Veränderungen werden getrieben von der Vervielfältigung von Informationen, der erhöhten Geschwindigkeit und Reichweite ihrer Verteilung und der Multiplizierung von Anschlussmöglichkeiten. Feste Strukturen und Hierarchien entstehen, wenn sozio-technische Prozesse sich zu Mustern verdichten und Abweichungen verhindern oder einfangen: die Tendenz zur Monopolbildung in Plattformökonomien; die Konzentration der Technologieentwicklung auf einige wenige Länder und Unternehmen; die Aneignung frei zugänglicher Daten; die Verschneidung digitaler Systeme mit Regimen der Überwachung und Kontrolle; die Digitalisierung von Zugehörigkeit und Grenzen; und die Hartnäckigkeit, mit der digitale Systeme sich der Aushandlung und Kompromissfindung widersetzen.

      Eine von vielen Ursachen für die Entstehung und Verfestigung digitaler Ordnungen ist ihre vermeintliche Vollständigkeit. Im Oktober 2021 waren Facebook, WhatsApp und Instagram stundenlang nicht erreichbar. Ursache war ein Update in jener Software, die anhand des Border Gateway Protocols Routen zu den Servern des Unternehmens an das gesamte Internet übermittelt. Die Server liefen und waren physisch verbunden. Aber im globalen Netzwerk war nicht mehr hinterlegt, wie man sie erreicht. Routing-Anfragen („Wie erreiche ich den Server von Facebook?“) führten nur noch zu virtuellem Achselzucken, so dass die Administrator:innen sich mühsam physischen Zugang zu den Servern verschaffen mussten, um das fehlerhafte Update rückgängig zu machen.

      Interessant an dem Vorfall ist, dass im Netzwerk-Raum des Internets keine unterbrochenen Verbindungen oder Lücken erkennbar waren. Digitale Koordinatensysteme suggerieren eine Vollständigkeit, die sie nicht hinterfragen und nicht einlösen. Große Sprachmodelle wie ChatGPT geben auf alles eine souveräne Antwort, unabhängig ob diese auf gesicherten Informationen basiert. Orte, die nicht auf Kartendiensten wie Google Maps oder auch Open Street Map verzeichnet sind, sind praktisch nicht zu finden, nicht zu erreichen; Künstler:innen, die ihre Musik nicht auf Spotify zur Verfügung stellen, nicht zu hören.

      Vor wenigen Jahren musste die Relevanz des Digitalen im Gesellschaftlichen noch durch Beispiele und Zahlen etabliert werden. Heute fällt es schwer, Bereiche des Alltags zu finden, die nicht in digitale Relationen verstrickt sind. Welche Ansprüche auf Vollständigkeit erheben digitale Apparate in alltäglichen Handlungssituationen? Wie werden Handlungen durch den Anspruch auf Vollständigkeit strukturiert und Abweichungen eingehegt? Wie gelingt es, Beziehungen, Verantwortungen und Werte im Blick zu behalten, die nicht der Logik digitaler gesellschaftlicher Systeme entsprechen? Anspruch von grid ist es, Ordnung und Bewegung innerhalb digitaler Konfigurationen nachzuzeichnen. Und Unvollständigkeit nicht als Restriktion zu verstehen, sondern als Einladung, Bewegung in unterschiedliche Richtungen zu ermöglichen.

      grid ist Infrastruktur

      Ein grid ist eine Infrastruktur, auf der Inhalte aufbauen und zirkulieren. grid möchte dem Austausch zwischen Wissenschaftler:innen Raum geben, ihn fördern und wissenschaftliche Inhalte und Prozesse einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich machen. Um das zu erreichen, ist grid als ein Hybrid aus Online-Magazin und wissenschaftlicher Zeitschrift konzipiert. Als Magazin bieten wir verständliche Texte und Essays, die kompatibel zu digitalen Lesegewohnheiten sind und Raum für multimediale Inhalte und kreative Formate bieten. Als wissenschaftliche Publikation legen wir Wert auf sachliche Fundierung, kritische Reflexion, Nachvollziehbarkeit und Transparenz.

      Beiträge auf grid gliedern wir in vier Rubriken. Impulse bieten Einblicke in Forschungsprojekte, stellen spannende Ergebnisse und vorläufige Ideen vor oder präsentieren forschungsorientierte Essays zu aktuellen gesellschaftlichen Themen. Diskussionen umfassen mehrere aufeinander bezogene Impulse von unterschiedlichen Autor:innen, die aktuelle Trends und Entwicklungen im Verhältnis von Gesellschaft, Raum und digitaler Technik aufgreifen. Neue methodische Ansätze werden in der Rubrik Digitale Werkzeuge vorgestellt und rezensiert. Darüber hinaus freuen wir uns über Vorschläge für Beiträge, die nicht in eine der obigen Kategorien passen. Denkbare Formate sind Videoaufzeichnungen, aufbereitete Chatverläufe, kommentierte Datensätze, Applikationen uvm. Selbstverständlich können kreative Formate dabei auch mit einem Begleittext versehen werden.

      Um das zu ermöglichen, teilen wir nicht nur Inhalte, sondern auch Ressourcen. Wir folgen konsequent dem Open-Access-Gedanken: Weder für Autor:innen noch Lesende fallen Gebühren an. Alle Beiträge auf grid werden zudem unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlicht, die eine Weiternutzung unter Angabe der Autor:innen erlaubt (CC-BY). Unsere Autor:innen ermutigen wir, sich an den Standards und den Zielen von Open Science zu orientieren – und unterstützen dabei gerne im Rahmen unserer Erfahrungen und Kompetenzen.

      Auch technisch setzen wir auf Offenheit: grid ist handgemacht und stellt höchste Ansprüche an sauberen Satz, korrekte Metadaten und barrierearmes Design. Die Abläufe der Produktion von grid und die Webseite basieren so weit wie möglich auf quelloffenen Standards und Werkzeugen wie Astro, Pandoc und LaTeX. Interessierte führen wir gerne durch unser Git Repository!

      Im Inhalt und der Umsetzung von grid spiegelt sich der Anspruch wider, Wissenschaft zu öffnen und sensibel gegenüber Machtasymmetrien in der Publikationslandschaft zu sein. Dazu gehören die konsequente Umsetzung von Open-Access und transparente Strukturen, ebenso wie eine klare, verständliche Darstellungsweise, um wissenschaftliche Diskussionen einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Zudem freuen wir uns über Beiträge aus studentischer, praktischer, politischer oder zivilgesellschaftlicher Perspektive und begleiten diese durch unser vereinfachtes Begutachtungsverfahren.

      grid ist ein Netzwerk

      Der Start von grid ist das Ergebnis eines Prozesses, an dessen Verlauf viele mitgewirkt haben. Entstanden ist die Idee im DFG Netzwerk „Digitale Geographien“ und dem 2022 gegründeten Arbeitskreis „Digitale Geographien“ der Deutschen Gesellschaft für Geographie. Alle mitbegründenden Herausgebenden sind in der Forschung und im Arbeitskreis aktiv, viele Ideen und Anregungen sind das Ergebnis eines Austauschs mit Kolleg:innen auf Workshops und Tagungen. Wir möchten dazu beitragen, diese Verbindungen zu festigen – und gleichzeitig neue Anknüpfungspunkte zu unterschiedlichen Bereichen der Geographie, zu anderen Disziplinen sowie der interdisziplinären Forschung am Schnittfeld von Gesellschaft, Raum und digitaler Transformation anbieten.

      Wir begreifen grid als einen Ort kollektiver Gestaltung, ein Netzwerk ohne starre Hierarchien. Daher laden wir herzlich dazu ein, grid aktiv mitzugestalten. Dies ist über das Verfassen eigener Beiträge zu den oben aufgeworfenen Fragen in den vorgestellten Formaten möglich. Zudem ermutigen wir alle, an unseren digitalen Redaktionssitzungen teilzunehmen. Hier sind keine technische Expertise oder redaktionelle Vorkenntnisse erforderlich. Je nach Kapazitäten und Interesse ist es möglich, uns bei der Betreuung von Beiträgen, der Weiterentwicklung der Formate oder der technischen Umsetzung zu unterstützen. Wir treffen uns jeden ersten Freitag im Monat digital. Bei Interesse freuen wir uns über eine Nachricht an unsere Redaktion.

      Unser herzlicher Dank gilt allen, die durch ihre Beiträge, Unterstützung und auch kritische Hinweise zum erfolgreichen Start von grid beigetragen haben. Insbesondere möchten wir Eva Isselstein danken, die das Projekt in der Anfangszeit intensiv mitgestaltet hat. Finanzielle Beiträge aus den Arbeitsgruppen Erlangen und Frankfurt haben es uns ermöglicht, grid auch optisch einen professionellen Anstrich zu geben. Für die Beiträge gilt unser Dank Marc Boeckler, Georg Glasze und Blake Walker, für das (wie wir finden) tolle Design dem Team von correspondence.

      Veröffentlicht unter der Creative Commons License CC-BY 4.0